Ein Beitrag von Fabian Krüger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet und Wohnungseigentumsrecht aus dem Jahr 2018.

Angesichts der noch immer historisch niedrigen Zinsen fällt vielen Bürgern die Entscheidung leicht, in Immobilien zu investieren. Die erhöhte Nachfrage führt zu Preissteigerungen. Das merken nicht nur Interessierte in München, Stuttgart oder Hamburg. Auch in den guten Lagen des Ruhrgebiets ist es zwischenzeitlich schwieriger geworden, auf dem freien Markt eine Immobilie mit Renditechancen zu erwerben.

Für viele Menschen ist deshalb der Erwerb von Immobilien aus der Zwangsversteigerung von steigendem Interesse. Nun gibt es aber nicht nur die Möglichkeit, an einem Zwangsver-steigerungsverfahren teilzunehmen und dann ggf. mit ein bisschen Bieterglück die Immobilie durch Zuschlag gemäß § 90 Zwangsversteigerungsgesetz (im folgenden ZVG genannt) zu erwerben, in vielen Fällen versuchen die Eigentümer einer von der Zwangsversteigerung betroffenen Immobilie auch, diese noch nach der sog. Beschlagnahme durch Zustellung des Beschlusses, in dem die Zwangsversteigerung angeordnet ist, freihändig zu verkaufen.

Das funktioniert auch, weil die Beschlagnahme des Grundstücks gemäß § 23 Abs. 1 ZVG in Verbindung mit den §§ 136 und 135 BGB nur ein relatives Veräußerungsverbot zur Folge hat. Das bedeutet, dass der Grundstückseigentümer noch über seinen Grundbesitz verfügen kann. Problematisch ist nur, dass die Eigentumsverschaffung zugunsten des Käufers gegenüber den Gläubigern des Verkäufers unwirksam ist. Die Sache ist ein bisschen kompliziert, aber nicht hoffnungslos. Wenn sich Verkäufer und Käufer über einen Preis einig werden können, aus dem die zur Zwangsversteigerung führenden Verbindlichkeiten abgelöst werden können, kann der Erwerb quasi parallel zu dem Versteigerungsverfahren durch notariell beurkundeten Kaufvertrag erfolgen. Hierbei sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten.

Wegen des Veräußerungsverbots hat der Notar Vorsichtsmaßnahmen zugunsten des Erwerbers zu ergreifen. In diesem Zusammenhang genügt die auch sonst im Rahmen der Abwicklung von Immobilienkaufverträgen übliche Eintragung einer sog. Eigentumsvormerkung gemäß § 883 BGB, die dem Vormerkungsberechtigten den Anspruch auf Verschaffung des Eigentums sichern soll, nicht. Dies liegt daran, dass die Vormerkung kein die Zwangsversteigerung hinderndes Recht ist; sie bewirkt auch nicht etwa eine Grundbuchsperre. Der Käufer liefe also Gefahr, den Kaufpreis aus der Hand zu geben und dann gleichsam zusehen zu müssen, wie die Immobilie in der Zwangsversteigerung durch den Zuschlag an den Höchstbietenden geht. Zwar hätte der vormerkungsberechtigte Käufer in diesem Falle unter Umständen gemäß § 92 ZVG einen Anspruch auf Wertersatz aus dem Versteigerungserlös. Dies ist aber weder sein Ziel, noch ist es sicher, dass der Versteigerungserlös nach Befriedigung der für den Käufer eingetragenen Vormerkung vorgehender Rechte (z.B. einer Grundschuld) ausreicht. Der Notar hat also zur Absicherung des Käufers sicherzustellen, dass das Eigentum nicht durch den Zuschlag im Wege der Zwangsversteigerung auf den Ersteher übergeht. Wie funktioniert das?

Zunächst wird der Notar dafür Sorge zu tragen haben, dass er den Käufer, für den er unmittelbar nach Beurkundung des Kaufvertrages eine Erwerbsvormerkung zur Eintragung gebracht hat, als Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens anmeldet. Dies ist einerseits von Bedeutung für den Anspruch auf Wertersatz, wenn es doch zum Zuschlag kommt, andererseits aber auch zu empfehlen, damit dem Käufer von dem zuständigen Amtsgericht wichtige Informationen im Rahmen der Zwangsversteigerung zugestellt werden. Der Notar wird sich dann bei dem Vollstreckungsgericht darüber informieren, welche Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem Recht betreiben, das im Grundbuch im Range vor der Erwerbsvormerkung des Käufers eingetragen ist. Das betrifft nicht nur den oder die Gläubiger, die ursprünglich die Zwangsversteigerung eingeleitet hatten, sondern auch andere Gläubiger die der Zwangsversteigerung noch vor dem Eingang des Antrags auf Eintragung der Erwerbsvormerkung des Käufers beigetreten sind.

Sog., im Verhältnis zur Eintragung der Vormerkung, nachrangige Gläubiger können dem Käufer hingegen nicht mehr gefährlich werden.

Sämtliche so ermittelten Gläubiger wird der Notar anschreiben und von ihnen, um die Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens zu erreichen, eine sog. Rücknahmeerklärung anfordern. Auch alle weiteren Gläubiger, die mit einem Recht im Range vor der Erwerbsvormerkung des Klägers eingetragen sind, sind von dem Notar anzuschreiben und zur Übersendung sog. Stillhalteerklärungen zu bewegen. Die Gläubiger werden diese Unterlagen übersenden unter der Voraussetzung, dass aus dem vereinbarten Kaufpreis die Verbindlichkeiten abgelöst werden. Dem Interesse der Gläubiger wird der Notar gerecht, indem er die Erfüllbarkeit der Auflagen der Gläubiger zur Fälligkeitsvoraussetzung der Kaufpreiszahlung macht. Zu beachten hat der Notar ferner die nicht aus dem Grundbuch ersicht-lichen weiteren möglichen Gläubiger die dem Käufer gefährlich werden können. Dies sind die Träger der öffentlichen Lasten und bei dem Verkauf einer Eigentumswohnung die Eigentümergemeinschaft wegen möglicherweise bestehender Hausgeldrückstände. Es ist deshalb unbedingt darauf zu achten, dass der vereinbarte Kaufpreis auch ausreicht, um die letztgenannten Verbindlichkeiten abzulösen. Dies deshalb, weil sowohl die Versteigerung wegen öffentlicher Lasten als auch wegen bestehender Hausgeldrückstände von den sog. Rangklassenprivilegien des § 10 Absatz 1 ZVG profitieren. So könnten diese Gläubiger den Erwerb des Käufers verhindern und auch wegen relativ geringer Beträge die Zwangsversteigerung durchsetzen mit der Folge, dass der Zuschlag erteilt würde.

Wenn die dargelegten Grundsätze (und noch ein paar weitere, die in diesem Beitrag wegen der komplexen Materie außen vor bleiben sollen) beachtet werden, steht dem sicheren Erwerb einer von der Zwangsversteigerung befangenen Immobilie durch notariell beurkundeten Kaufvertrag parallel zu dem laufenden Zwangsversteigerungsverfahren nichts mehr im Wege; der Kauf unterscheidet sich im Übrigen nicht wesentlich von einem ganz normalen Kaufvertrag.

Der Vorteil des Schuldners beim freihändigen Verkauf liegt darin, dass er in der Regel einen höheren Kaufpreis erzielen kann als in der Zwangsversteigerung. Der Schuldner sollte deshalb nach Einleitung der Zwangsversteigerung nicht gleich den Kopf in den Sand stecken. Denn auch nach diesem Zeitpunkt besteht noch immer die Chance, die betreffende Immobilie gut zu verkaufen und mit einem blauen Auge aus der Sache herauszukommen.

Für potenzielle Erwerber bieten sich Chancen. In der Regel kann bei dem Vollstreckungsgericht ein Wertgutachten eingesehen werden, was die Kaufpreisfindung erleichtert und bei der Beurteilung der Bausubstanz hilft. Häufig kann die von der Zwangsversteigerung betroffene Immobilie zu einem günstigeren Preis erworben werden als eine auf dem freien Markt angebotene Immobilie.